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Bundesverwaltungsgericht kippt beschleunigte Verfahren bei Außenbereichsflächen

Freiflächen am Ortsrand einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) ohne Umweltprüfung überplant werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 18.7.2023 entschieden werden.

Was bedeutet das Urteil für laufende und bereits abgeschlossene Verfahren der Kommunen?

  • 13 b BauGB erleichtert den Wohnungsbau auf bis zu 10.000 Quadratmeter großen Grundflächen, „die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen“. Die ursprünglich 2017 eingeführte bis 2019 befristete Norm wurde durch das Baulandmobilisierungsgesetz 2021 bis zum 31.12.2022 verlängert. Die Verfahren mussten bis Ende 2022 eingeleitet werden. Die Norm ist allerdings umstritten, weil viele Gemeinden das beschleunigte Verfahren nur für kleinere Bauvorhaben am Ortsrand mit geringer Baudichte genutzt haben und dies zu einem hohen Flächenverbrauch führte.

Gericht rügt fehlende Umweltprüfung

Das aktuelle Urteil des BVerwG betrifft den Bebauungsplan einer Gemeinde in Baden-Württemberg, der für ein am Ortsrand angrenzendes 3 ha großes Gebiet im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) Wohngebiet festsetzt. Er wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13 b BauGB aufgestellt. Der 4. Revisionssenat des BVerwG hat festgestellt, dass § 13 b BauGB mit den Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 der SUP-Richtlinie nicht im Einklang steht, wonach hier eine Umweltprüfung erforderlich ist.

Die Entscheidung des BVerwG hat bundesweit Auswirkungen auf noch bis 31.12.2022 im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB eingeleitete laufende Bebauungsplanverfahren der Kommunen. Die Bauleitplanung muss nunmehr im Regelverfahren mit Umweltprüfung und naturschutzrechtlichem Ausgleich sowie mit zwei Beteiligungsverfahren weitergeführt werden. Parallel sind – soweit erforderlich – Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan durchzuführen, da eine bloße Berichtigung des Flächennutzungsplans nicht ausreicht.

Wirkung auf bestehende Bebauungspläne

Bereits in Kraft getretene 13b BauGB-Bebauungspläne sind wegen Verstoß gegen Europarecht unwirksam. Dies kann zwar erst bei einer gerichtlichen Überprüfung des betreffenden Bebauungsplans durch ein Normenkontrollverfahren oder im Rahmen eines Verwaltungsgerichtsprozesses festgestellt werden. Ob sich die betreffende Gemeinde in diesem Fall zu einem späteren Zeitpunkt auf die einjährige Mängelrügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB berufen kann, nach deren Ablauf von der Unbeachtlichkeit des Fehlers auszugehen ist, erscheint allerdings wegen der europarechtlichen Vorgabe zur Durchführung einer Umweltprüfung zweifelhaft.

Die Rechtsunsicherheit bei erlassenen § 13b BauGB-Bebauungsplänen führt zu einer unbefriedigenden Situation im Bauvollzug. So setzt das Genehmigungsfreistellungsverfahren nach Art. 58 BayBO einen rechtswirksamen Bebauungsplan voraus. Im Genehmigungsfreistellungsverfahren auf Grundlage eines § 13b BauGB-Bebauungsplans bereits errichtete Gebäude sind materiell als illegal und damit als „Schwarzbauten“ einzustufen. Unklar ist auch, wie sich die Baugenehmigungsbehörden künftig bei Bauanträgen auf Grundlage von (unwirksamen) § 13b BauGB-Bebauungsplänen verhalten werden.

Angesichts der geschilderten rechtlichen Unwägbarkeiten sind die Gemeinden gut beraten, bereits erlassene § 13b BauGB-Bebauungspläne rechtlich nachschärfen. Hier besteht die Möglichkeit in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB die erforderlichen Verfahrensschritte im Regelverfahren mit Umweltprüfung zu wiederholen und den Bebauungsplan rückwirkend in Kraft zu setzen.

 

Klaus Hoffmann