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Novelle der BayBO: Wie Kommunen Abstandsflächen regeln können?

Novelle der BayBO: Wie Kommunen Abstandsflächen regeln können?

Durch die Änderung des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO wird das bisherige Maß der Abstandsflächentiefe von 1,0 H auf 0,4 H und in Gewerbe- und Industriegebieten von 0,25 H auf 0,2 H, mindestens jedoch 3 m verkürzt. Gleichzeitig entfällt das sogenannte „16-Meter-Privileg“, das eine Verkürzung der Abstandsflächentiefe vor zwei Außenwänden mit nicht mehr als 16 m Länge auf die Hälfte ermöglichte.

Geändert wurden auch die Vorschriften zur Berechnung der Abstandsflächen. Bei der Bestimmung der Gebäudehöhe wird gemäß Art. 6 Abs. 4 BayBO die Höhe der Giebelflächen im Bereich des Daches in vollem Umfang berücksichtigt. Nach altem Recht wurden die Giebelflächen bis zu einer Dachneigung von 70 Grad nur zu einem Drittel angerechnet. Darüber hinaus wird jetzt die Höhe des Daches auch bereits bei einer Neigung unter 45 Grad zu einem Drittel der Wandhöhe zugerechnet.

Mit der Neuregelung des Abstandsflächenrechts in der BayBO werden die in anderen Bundesländern bereits seit Jahren geltenden Regelungen der Musterbauverordnung übernommen. Die Änderungen führen zu einer erheblichen Verkürzung der Abstandsflächen und sollen damit ein dichteres und flächensparendes Bauen ermöglichen.

 

Kommunale Abstandsflächensatzungen

In Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 lit. a BayBO i.V.m. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO räumt das Gesetz den Kommunen die Möglichkeit ein, über eigene Abstandsflächensatzungen das Maß der Abstandsflächentiefe wieder auf bis zu 1,0 H zu erhöhen, wenn dies der Erhaltung des Ortsbildes oder der Verbesserung oder Erhalts der Wohnqualität dient. Abweichend zum Inkrafttreten der Neuregelung des Abstandsflächenrechtes trat die Ermächtigungsgrundlage für den Satzungserlass bereits zum 15.01.2021 in Kraft. Den Kommunen wurde empfohlen, zur Begrenzung möglicher Baurechtseinschränkungen eine Abstandsflächensatzung zum 01.02.2021 zeitgleich mit dem Inkrafttreten der BayBO-Novelle in Kraft zu setzen.

Kommunen, die bis zum 01.02.2021 noch keine eigene Abstandsflächensatzung in Kraft gesetzt haben, sind jedoch nicht daran gehindert, eine entsprechende Satzung erst nach dem 01.02.2021 zu erlassen. Da es sich bei einer Abstandsflächensatzung um eine rein bauordnungsrechtliche Vorschrift handelt, findet das Planungsschadensrecht der § 39 ff. BauGB keine Anwendung.

Bei einem Satzungserlass müssen Kommunen allerdings verschiedene Aspekte beachten:

Die Abstandsflächensatzung darf sich nicht pauschal auf das gesamte Gemeindegebiet erstrecken. Für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches sind die Bereiche zu ermitteln, in denen die Festsetzung eines abweichenden Maßes der Abstandsflächentiefe zur Erhaltung des Ortsbildes oder der Verbesserung der Wohnqualität erforderlich sind. In Betracht kommen vor allem die Gebiete, die bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB (unbeplanter Innenbereich) zu beurteilen sind. Wenn bereits Bebauungspläne vorliegen, ist zu untersuchen, inwieweit nach den Festsetzungen des Bebauungsplans die Abstandsflächenregelungen der BayBO zusätzlich zur Anwendung kommen. Eine Erstreckung des Geltungsbereichs auf Außenbereichslagen wird mit der Erhaltung oder Verbesserung der Wohnqualität schwerlich zu begründen sein. Aus diesem Grund sind vom Geltungsbereich der Satzung auch Gewerbe-, Kern- und Industriegebiete sowie festgesetzte urbane Gebiete in der Regel auszuschließen.

Bei der Festlegung des abweichenden Maßes der Abstandsflächentiefe ist zu berücksichtigen, dass eine Erhöhung auf das maximal zulässige Maß von 1,0 H aufgrund der geänderter Berechnungs- und Anrechnungsbestimmungen des Art. 6 Abs. 4 BayBO zu größeren Abstandsflächen als nach der alten Rechtslage führen würde. Da die Entscheidung über die Vergrößerung der Abstandsflächen abwägungsfehlerfrei erfolgen und entsprechend den Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage begründet werden muss, empfiehlt es sich, das Maß der Abstandsflächentiefe auf nur bis zu 0,8 H anzuheben. Zusätzlich könnte noch die (weitere) Anwendung des sog. „16-Meter-Privilegs“ festgelegt werden.

In der Satzungsbegründung müssen die wesentlichen Gründe für den Erlass der Satzung und die getroffenen Festlegungen dargestellt und erläutert werden. Um die Rechtssicherheit der Satzung nicht zu gefährden, sollten keine städtebaulichen Gründe angeführt werden. Die Festsetzung des Maßes der Tiefe der Abstandsflächen muss mit der Verbesserung und Erhaltung der Wohnqualität, und damit ausschließlich mit bauordnungsrechtlichen Gründen begründet werden. Aus der Satzungsbegründung sollte sich zudem ergeben, dass eine sachgerechte Abwägung der betroffenen Belange und Interessen stattgefunden hat.

Kommunen ist zu empfehlen, beim Erlass von Abstandsflächensatzungen keine „Schnellschüsse“ vorzunehmen. Die örtliche Situation und die konkreten Erfordernisse einer abweichenden Festsetzung des Maßes der Abstandsflächentiefe müssen umfassend ermittelt werden. Dann wird es auch gelingen, rechtssichere Satzungen zu gestalten.

Jürgen Greß