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Von der „Zukunft der Gegenwart“ in die „Gegenwart der Zukunft“

Von der „Zukunft der Gegenwart“ in die „Gegenwart der Zukunft“

oder
Warum die Entscheidung des BVerfG zum Klimaschutz von epochaler Bedeutung ist

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 24.03.2021 in mehrfacher Hinsicht Verfassungsgeschichte geschrieben, sei es zu Fragen der Zulässigkeit und Beschwerdebefugnis ausländischer Antragsteller, sei es zur völkerrechtlichen Qualität des Pariser Abkommens und seiner Folgen etc.. Ein Punkt soll an dieser Stelle jedoch besonders hervorgehoben werden:

Unter dem Gliederungspunkt C III „Intertemporale Freiheitssicherung“ verpflichtet das Gericht die jetzt lebenden Generationen zu einem Verhalten, durch das die für sie geltenden Grundrechte auch für künftige Generationen gewährleistet werden. Das Gericht begibt sich quasi in die Position einer künftigen Generation (nach 2030) und stellt fest, dass für diese auf Grund des Verhaltens der jetzt lebenden Generationen dann die Grundrechte nicht mehr ausreichend gewährleistet werden können. Zeitphilosophisch könnte man sagen, das BVerfG blickt auf das Klimageschehen nicht mit dem gängigen Blickwinkel „Zukunft der Gegenwart“, sondern begibt sich in die „Gegenwart der Zukunft“ und erkennt aus diesem Blickwinkel die naturwissenschaftlich nicht zu leugnende Kausalität zwischen heutigem Handeln und dessen späteren Folgen.

Das BVerfG sieht die gegenwärtige Gesellschaft und staatliche Ordnung dabei als verpflichtet an, „intertemporal“ die Grundrechte heute auch für künftige Generationen zu sichern, und stellt fest, dass das bis dorthin geltende Klimaschutzgesetz diesen Ansprüchen nicht genügte. Das Gericht lenkt damit die gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit darauf, dass die Erhaltung einer lebenswerten und erlebensfähigen Umwelt nicht nur ein allgemeines politisch-moralisches Postulat ist, sondern dass insoweit bereits heute verbindliche Grundrechtspositionen künftig lebender Generationen eine Verpflichtung zu sofortigem gesetzgeberischem Handeln auslösen. Dabei ist ausdrücklich der Gesetzesvorbehalt betont, eine weitgehende Regulierungsdelegation auf die Exekutive ist nach diesem Beschluss nicht zulässig.

Die Richter des Ersten Senats unter dem Vorsitz von Präsident Harbarth fassten diese Entscheidung einstimmig, sie ist also sehr ernst gemeint …

Wir warten gespannt auf das Handeln des Gesetzgebers.

Dr. Nikolaus Birkl