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Klimafreundliche Infrastruktur im LNG-Tempo?

Mitte Dezember 2022 war das erste LNG-Terminal nach knapp zehn Monaten Bau- und Planungszeit in Wilhelmshaven eröffnet worden. Bundeskanzler Scholz sprach vom „neuen Deutschlandtempo“.

Grundlage dafür ist das LNG-Gesetz, das im Sommer 2022 verabschiedet wurde. Die Regelungen des Beschleunigungsgesetzes auf andere Infrastrukturvorhaben zu übertragen, ist allerdings weder zielführend noch angemessen. Folgende Regelungen des LNG-Gesetzes führten zu dem Rekordtempo:

Überragendes öffentliches Interesse

Für LNG-Terminals wird in § 3 LNG-Gesetz ein überragendes öffentliches Interesse festgestellt. Damit kommt der Errichtung der Terminals in der Abwägung ein höheres Gewicht zu als anderen Belangen.

Ausnahmen von der UVP

Ein wichtiger Beschleunigungsfaktor ist die Möglichkeit, nach § 4 LNG-Gesetz auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu verzichten. Möglich macht dies der europäische Gesetzgeber in Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie (Richtlinie 2011/92/EU), der für Sondersituationen, in denen die Versorgungssicherheit gefährdet ist, eine Ausnahme vorsieht. Diese Sondersituation ist 2022 aufgrund der Gasmangellage eingetreten.

Verkürzte Auslegungs- und Einwendungsfristen

In § 5 LNG-Gesetz wurden die Frist zur Einbindung der Öffentlichkeit, die normalerweise nach § 10 BImSchG festgelegt sind, verkürzt. Auslegungsfristen wurden von einem Monat auf eine Woche verkürzt, Einwendungsfristen von zwei auf eine Woche. Die oft sehr zeitaufwendigen Erörterungstermine stehen nun sogar im Ermessen der zuständigen Behörde.

Vorbild für andere Klimainfrastrukturprojekte?

Können die Regelungen, die im LNG-Gesetz getroffen wurden, auch Vorbild für andere Infrastrukturvorhaben sein?

Zunächst ist festzustellen, dass ein überragendes öffentliches Interesse ebenfalls im Zuge des „Osterpakets“ in § 2 EEG normiert wurde. Von der klaren gesetzlichen Wertung profitieren klimafreundliche Energiestrukturvorhaben wie Windkraftanlagen, Solar- und Biogasanlagen. Mit § 2 EEG ließ der Gesetzgeber das Fachrecht unberührt und entwarf eine übergeordnete Regelung, die für forst-, immissionsschutz-, bau-, straßen-, sowie naturschutzrechtliche Vorhaben gelten. Auch kann § 2 EEG als Zielfestlegungen in Raumordnungspläne und für die Festsetzung von Flächen in Bauleitplänen herangezogen werden.

Im Weiteren kann das LNG-Gesetz nicht als Vorbild für das „neue Deutschlandtempo“ dienen. Die Beschleunigungsvorschriften stellen drastische Eingriffe in Umweltstandards dar. Ein Verzicht auf die UVP-Prüfung wie in § 4 LNG-Gesetz wäre aufgrund des sehr eng auszulegenden Ausnahmetatbestandes des Art. 2 Abs. 4 der UVP-Richtlinie nicht unionrechtskonform.

Dies könnte sich jedoch bald für Windenergieanlagen an Land ändern. Im Rahmen des Legislativpakets RepowerEU (COM (2022) 222) soll in sogenannten „Go-to-Areas“ keine Pflicht zur Durchführung einer UVP mehr bestehen. Nach § 6 WindBG-E sollen dann nur große zusammenhängende Gebiete im Raumordnungsverfahren geprüft werden und nicht mehr jedes einzelne Bauprojekt. Auf Bundesebene handelt es sich bei den „Go-to-Areas“ um spezifische Vorranggebiete – wie Sondergebiete in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen, in denen nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist.

Zu erheblichen Verzögerungen bei Infrastrukturvorhaben trägt außerdem die unzureichende Personalausstattung von Behörden und Gerichten bei. Eine konsequente Digitalisierung von Verwaltungsverfahren kann dabei einen deutlichen Beschleunigungseffekt bringen. Der Gesetzgeber hat mit dem Plansicherungsgesetz (PlanSiG) bereits eine Grundlage dafür geschaffen, Erörterungstermine online durchzuführen. Eine Entfristung dieses Gesetzes wäre zeitgemäß und geboten. Abzuwarten bleibt, wie sich der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich (BT-Drs. 20/5165) dann konkret ausgestalten wird. Dieser war Ende Januar 2023 in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss von den geladenen Sachverständigen deutlich kritisiert worden.

Jakob Hoffmann